Virginie Paessler ist Hutmacherin in München, wo sie auch ihr Label LA VEE gegründet hat.
Eine Ausstellungseröffnung in einem alten Sägewerk im schönen Salzkammergut. Zahlreiche Besucher flanieren zwischen großformatigen Gemälden, Keramik-Skulpturen und Objekten hindurch. Dazwischen eine Frau mit Hut. Nicht irgendein Hut, es ist ein Herrenhut. Die Art, wie sie ihn trägt, ist besonders. Es wirkt weder hip noch verkleidet, vielmehr originell, die Persönlichkeit der Trägerin unterstreichend. Der Sitz des Hutes, perfekt, in gerader Linie aufgesetzt. Interessant, die großen Creolen und roten Lippen als femininer Gegenentwurf zur ansonsten strengen Anmutung der Kopfbedeckung. Später erfahre ich, es ist ihr Metier. Die Modistin Virginie Paessler lebt und arbeitet in München. Dort hat sie auch ihr Label La VEE gegründet. Ihre Hüte sind Unikate, ausschließlich handgefertigt. Das allein hat meine Aufmerksamkeit geweckt. Zusätzlich zur Tatsache, dass Sie erst vor wenigen Jahren den Sprung in die Selbständigkeit als Hutmacherin gewagt und geschafft hat. Sie selbst ist das beste Model ihrer Hutkreationen. Ich wollte mehr von ihr erfahren und freue mich, Sie heute bei SALON DE GICZ vorstellen zu können.
SDG: Hallo Virginie, schön, dass du dich bereit erklärt hast, mir ein paar Fragen zu beantworten, die vielleicht nicht nur für mich, sondern auch für unsere Leser*innen interessant sein könnten. Auf deiner Website kann man wunderbar nachlesen, wie deine Geschichte als Hutmacherin begann, und dass du erst 2017 in dieses Handwerk eingestiegen bist, nachdem du viele Jahre zuvor als Produkt-, Online-Marketing-, und Finanzmanagerin gearbeitet hast. Du sagst dort auch, dass die Entscheidung, Hutmacherin zu werden, nicht mit "einem Hut" zu tun hatte. Ich vermute also eher mit dem Bedürfnis danach, etwas mit den Händen zu tun, richtig? Gab es da einen bestimmten Auslöser?
VP: Ich glaube nicht, dass es einen bestimmten Auslöser gab, zumindest kann ich mich an keinen erinnern. Eines Tages war plötzlich die Hutmacherei in meinem Kopf, ich weiß wirklich nicht woher mir der Gedanke kam. Auf jeden Fall ließ es mich nicht mehr los, bis ich schließlich ein paar Monate später meinen ersten Kurs in London buchte. Bis dahin war für mich nie eine ausschließlich kreative oder manuelle Tätigkeit in Frage gekommen, obwohl ich immer schon eine kreative und handwerkliche Ader hatte. Ich hatte ja sogar im Rahmen meiner Schulausbildung parallel zum Abitur eine Tischlerlehre abgeschlossen, dies dann aber nicht mehr weiterverfolgt. Als nun aber der Kurs in London begann, fühlte ich mich von der ersten Sekunde an in meinem Element und genoss es eben sehr, endlich wieder mit den Händen zu arbeiten. Und so war es klar, dass ich da dranbleiben würde und gründete schließlich 2019 mein Label LA VEE.
SDG: Für mich klingt es so, als wärest du ganz intuitiv dem Ruf deiner Seele gefolgt…
VP: Lacht. Ja, vielleicht ist das eine Erklärung.
SDG: Hast du immer schon Hüte getragen? Oder bist du quasi durch deine eigene Arbeit auf "den Hut" gekommen?
VP: Ja tatsächlich, bis ich in dem Metier anfing, trug ich eher selten Hut. Ich hatte auch nur ein paar, vor allem Berets (Baskenmütze A.d.R.) und Kappen die ich von meiner Oma geerbt hatte. Für ein paar besondere Anlässe, wie Hochzeiten, hatte ich aber schon Mal eine Fascinator (ein leichter Kopfschmuck für Frauen, der aus Federn, Blumen, Netzen und Bändern besteht A.d.R.) selber gemacht und den einen oder anderen Hut „upcycled“, was mir auch ganz gelungen war. Das hatte ich aber ehrlich gesagt total vergessen. Das waren also keine Aha-Erlebnisse für mich. Inzwischen aber trage ich natürlich fast täglich Hut und so kommt dann auch das Bedürfnis, mehr als nur einen zur Auswahl zu haben, passend zu Outfit, Stimmung und Jahreszeit.
SDG: Das wäre meine nächste Frage. Verschiedene Jahreszeiten, unterschiedliche Anlässe und Outfits... Gibt es eine Art Basisausstattung? Was würdest Du empfehlen? Welches Hutmodell sollte Frau (nehmen wir das weibliche Geschlecht mal als Beispiel) in jedem Fall haben?
VP: Ich denke, man sollte auf jeden Fall einen Filzhut und einen Strohhut in seiner Garderobe haben. Bei Filzhut denke ich schon eher an einen Fedora (weicher Filzhut mit zumeist breiter Krempe, A.d.R.) oder Trilby (Hut mit kleinerer Krempe, A.d.R.). Ich finde, das ist immer ein schickes Accessoire, außerdem bietet ein Filzhut auch einen gewissen Schutz und Wärme in der kälteren Jahreszeit. Sobald die Temperaturen steigen und die Sonne scheint, greift man besser zum Strohhut. Hier kommt es mehr auf die persönlichen Vorlieben an, was Form und Stil betrifft. Generell würde ich sagen, dass ein alltagstauglicher Hut tendenziell eine nicht zu breite Krempe haben sollte. Die kann einem sonst zum Beispiel bei Begrüßungen in die Quere kommen oder dafür sorgen, dass der Wind den Hut leichter vom Kopf weht.
SDG: In einem Beitrag über dich (auch auf deiner Website zu sehen) erwähnst du, einen handgefertigten Hut von einem industriell gefertigten auf Anhieb unterscheiden zu können. Was sind die Details, die das ausmachen?
VP: Was mir bei maschinell gepressten Fedoras und Trilbys am meisten auffällt, sind die harten Konturen der vorderen Augen (die für diese Art von Hüten typischen Vertiefungen vorne links und rechts). Bei einem handgemachten Hut sind diese viel weicher, und wie ich finde eleganter. Auch ist bei massenproduzierten Hüten das verwendete Material oft nicht sehr hochwertig, beispielsweise wird bei Sommerhüten häufig Papier statt Stroh verwendet. Die Materialkosten machen bei einem Hut ja auch einiges aus, da sowohl Haarfilz also auch viele Stroharten schon im Einkauf recht teuer sind. Einige günstige Sommerhüte werden auch aus Meterware zusammengenäht, statt aus einem Hutrohling angefertigt (so nennen wir die Rohform des Materials, bevor sie auf eine Hutform gezogen wird). Bei diesen Hüten sind Nähte im Kopfbereich sichtbar, ähnlich wie bei einer Basketballkappe.
SDG: Ich höre immer wieder: "Mir stehen Hüte einfach nicht. Aber du hast ja ein Hutgesicht." Sicher spielt die Kopf- und Gesichtsform eine Rolle. Aber ist es wirklich so? Kann nicht eigentlich jede/r Hut tragen? Worauf sollte man achten?
VP: Es kann auf jeden Fall jede/r Hut tragen, aber nicht jeder Hut steht jedem Mann bzw. jeder Frau. Man sollte sich Zeit nehmen, um einen guten Hut zu finden, also viele Modelle anprobieren, genauso wie man bei der Suche nach einer neuen Brille vorgehen würde. Neben den persönlichen Stilvorlieben gilt es, die zum Gesicht passende Form zu finden. Da gibt es viele Faktoren und Variationen, flache Krone, hohe Krone, runde Krone, symmetrisch, asymmetrisch, mit tiefen Augen oder ohne Vertiefungen, mit kurzer oder breiter Krempe, nach oben oder nach unten aufgeschlagen oder ganz flach. All das kann einen großen Unterschied ausmachen. So findet sich aber auch für jeden Kopf ein passendes Modell.
SDG: Wenn ich mir gerne einen Hut von dir anfertigen lassen möchte, wie läuft das ab? Abgesehen davon, dass man deine Hutkreationen auch in deinem Online-Shop bestellen kann.
VP: Am besten ist es natürlich, wenn du im Atelier vorbeikommen kannst. Zuerst probierst du dann ein paar Hüte an. Vielleicht hast du schon einen bestimmten im Auge? Oder wir definieren zusammen ein ganz neues Modell oder eine Kombination aus verschiedenen Modellen. Dann nehme ich dein Kopfmaß und zeige dir die Materialien und Farben, die für deinen Hut in Frage kommen. Wenn du nicht ein ganz bestimmtes Modell ausgesucht oder feste Vorgaben gemacht hast, bekommst du, sobald der Hut in seiner Form fertiggestellt ist, ein paar Vorschläge, was das Hutband und sonstige Staffierung betreffen. So erhält jeder Hut von LA VEE eine ganz persönliche, auf Auftraggeber/in abgestimmte Note.
SDG: Ich habe gesehen, du machst hin und wieder Pop-Up Events. Was sind die nächsten Projekte? Gibt es auch Kooperationen außerhalb von München?
VP: Das nächste Pop-Up Event bei dem ich mitmache, ist im November in Grünwald in der Nähe von München. Da mache ich zum zweiten Mal mit und freue mich schon sehr. Der Pop Up findet in einer sehr netten Location mit tollen Designern und Labels aus dem Bereich Mode, Lifestyle und Interieur statt. Im Anschluss daran, machen wir dann noch unser Xmas Pop Up im Studio peng! - meiner Ateliergemeinschaft im Zentrum von München. 2024 möchte ich auf jeden Fall auch an einigen Veranstaltungen dieser Art teilnehmen, die Pläne hierfür stehen aber noch nicht fest. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns auf einem Designmarkt im Salzkammergut wieder. Das würde mich sehr freuen.
SDG: Ja, mich auch! Die obligatorische Frage zum Schluss... Wie sieht dein idealer Tag aus?
VP: Mein Tag beginnt immer mit einer kleinen Runde mit Hund und Fahrrad an der Isar, dem schönen Wildfluss, der durch München fließt. Das mache ich bei jedem Wetter, und das tut uns beiden sehr gut. Da bin ich im Hier und Jetzt und denke noch gar nicht an die Arbeit oder was sonst so ansteht. So starte ich dann mit freiem Kopf im Atelier. Hier macht mir eigentlich alles Spaß. Die schönsten Aspekte sind aber wohl ein neues Projekt zu beginnen oder einem fast fertigen Hut den letzten Schliff zu geben. Zwischendrin freue mich auf eine kleine Kaffeepause mit meinen Atelier-Kollegen oder einen kurzen Ausflug für Besorgungen in einem der naheliegenden Geschäfte. An einem idealen Tag kann ich all das ohne große Unterbrechungen machen, ohne, dass etwas passiert oder ansteht, was mich von meiner eigentlichen kreativen und handwerklichen Arbeit abhält.
SDG: Vielen Dank für das Interview!
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Fotos: Oliver Soulas & Tarek Mantaoglu
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